Mittwoch, 28. September 2011

Tätliche Angriffe auf Christen und muslimische «Abweichler»


Allein in diesem Jahr wurden in Indonesien mehr als zwei Dutzend Angriffe auf Kirchen registriert, zumeist auf Java, der bevölkerungsreichsten Insel Indonesiens. Im Visier der Islamisten ist zum anderen die Ahmadiyah-Sekte, die sich selber als Teil der muslimischen Gemeinschaft sieht. Hardliner betrachten Gläubige der Ahmadiyah als «Abweichler» und fordern ein Verbot der Organisation.
Die Front zur Verteidigung des Islam (FPI) hat weissgewandete Anhänger, die mit scharfen Worten, Brandsätzen und Steinen gegen «Unislamisches» zu Felde ziehen und sich mit ihrem lärmigen Auftreten im öffentlichen Diskurs in den Vordergrund drängen.

Groteske Urteile

Kaum eine abschreckende Wirkung dürften zudem irritierend milde Gerichtsurteile gegen die Urheber religiöser Gewalt entfalten. Zwölf Angeklagten, die drei Angehörige der Ahmadiyah mit Steinen zu Tode geprügelt hatten, wurden unlängst Haftstrafen von drei bis sechs Monaten auferlegt. Mit demselben Strafmass wurde derweil eines der überlebenden Sektenmitglieder bedacht. Es soll den Anordnungen der Polizei nicht Folge geleistet und einen Angreifer verletzt haben.
In Bogor auf Westjava widersetzt sich die Stadtverwaltung hartnäckig einem Urteil von Indonesiens höchstem Gericht, wonach die Schliessung einer christlichen Kirche illegal ist. Dass Urteile nicht durchgesetzt werden, ist in Indonesien häufiger zu beobachten. Die Behörden, darauf erpicht, nicht als antiislamisch zu gelten, handeln meist erst dann entschlossen, wenn sie auf Terroristen Jagd machen. Den geistigen Unruhestiftern, die zu Gewalt aufrufen oder diese selber anwenden, wird nicht selten Langmut entgegengebracht.

Feurige Bekehrer

Angeheizt werden die religiösen Spannungen auch von Exponenten des christlichen Lagers. Insbesondere protestantische Bewegungen schüren im zu über 80 Prozent muslimischen Land mit aggressivem Missionieren die Angst vor einer unaufhaltsamen «Christianisierung». Die ausgesprochen finanzkräftig evangelikale Organisation Yayasan Mahanaim richtet sich bewusst an die ärmeren Schichten. Sie sponserte beispielsweise eine Massenhochzeit für muslimische Paare. Andere Kirchen unterhalten Schulen, deren Absolventen sich verpflichten müssen, mindestens fünf Muslime zu bekehren.
Ihre Zelte aufgeschlagen haben zudem amerikanische Freikirchen, die den einheimischen Organisationen in ihrem Bekehrungseifer in nichts nachstehen. Die evangelikalen Protestanten, viele davon ethnische Chinesen, verzeichneten nach einem Bericht der International Crisis Group in den vergangenen Jahren regen Zulauf. Die religiösen Spannungen haben somit auch eine ethnische Komponente.
(Auszug aus der NZZ)