Donnerstag, 20. Januar 2011

Christen mit gemeinsamer Stimme

In seinem viel beachteten Feuilleton-Beitrag Heimatlos zwischen Osten und Westen
(Kurzfassung hier als Lässt sich der Untergang der orientalischen Christen noch aufhalten?) vertritt Jürg Bischoff die Ansicht, die Christen des Nahen Ostens würden besser gehört und verstanden, wenn sie weniger ihre Eigenheiten pflegten, sondern mit einer Stimme sprächen.

Eine Solche Initiative, mit einer Stimme zu sprechen, ist im Dezember 2009 in Palästina gestartet worden. Mehr als ein Dutzend Theologen aus orientalischen und westlichen Kirchen veröffentlichten ein gemeinsames Dokument Kairos Palästina. Die Stunde der Wahrheit.

Im Anbetracht von Bedrängnis und Leid, das Israel den palästinensischen Christen seit Jahrzehnten zufügt, formulierten sie eine konkrete Stellungnahme aus dem gemeinsamen Glauben. Das Dokument fusst nicht auf partikulären kirchlichen Eigenheiten, sondern auf der gemeinsamen biblischen Überlieferung, auf den ursprünglichen Quellen. Auch wendet es sich nicht nur an Christen, sondern auch an Muslime und Juden, mehr noch: an alle Menschen guten Willens.

Dieses Dokument aus dem Nahen Osten verdient unbedingt unsere Beachtung. Es ist auch in deutscher Übersetzung im Internet einsehbar: http://www.kairospalestine.ps/

Montag, 17. Januar 2011

Lässt sich der Untergang der orientalischen Christen noch aufhalten?

Das Attentat auf eine koptische Kirche in der Neujahrsnacht hat erneut die Gefährdung christlicher Minderheiten in der muslimischen Welt aufgezeigt. Terror und Gewalt sind jedoch nicht die einzigen Faktoren, die dem scheinbar unaufhaltbaren Exodus der orientalischen Christen zugrunde liegen.

«Tragt den Orient in euren Herzen. Hier ist erneut ein Licht entsprungen, dessen Ausstrahlung ihr seid in einer von Materialismus, Sinnlichkeit und Berühmtheit verführten Welt. Was euch angeht, bewahrt eure orientalische Wahrhaftigkeit, lasst es nicht zu, dass man euren Willen, eure Freiheit und euren Glauben in diesem Orient verfälscht.» Diese Botschaft empfing die Damaszenerin Myrna Nazzur am Karsamstag 2004 von Christus selbst. Es ist die letzte von 35 Belehrungen, die der Frau bei Visionen und Ekstasen eingegeben wurden, in denen Christus und die Muttergottes ihr seit 1982 erschienen waren.

Hoffnung in Zeiten komplexer Bedrohung
Die Bekräftigung orientalisch-christlicher Identität, die hier höchster Stelle zugeschrieben wird, ist offensichtlich darauf ausgerichtet, den Christen im Nahen und Mittleren Osten in einer Zeit akuter Krise Selbstvertrauen und Zukunftshoffnung einzuflössen. Die Betroffenen erleben die Bedrohung als komplexes Problem, dessen Bewältigung die Christen nur teilweise selbst in der Hand haben, als Minderheit im doppelten Sinne: als christliche Minderheit in einer vom Islam geprägten Gesellschaft und als orientalische Minderheit in einem von der westlichen Kultur geprägten Christentum .

Die «orientalische Wahrhaftigkeit» wird laut Myrna Nazzurs Eingebung durch die «Verführungen» des Westens (Materialismus, Sex und Individualismus) bedroht. Hier drückt sich eine zutiefst konservative – und antiwestliche – Strömung aus, welche die orientalische Identität, sei es im Islam oder im Christentum, als traditionelle Frömmigkeit und überlieferte Moral begreift.

Instabilität als Hauptgefahr
Der Gang von 500 000 Christen ins Exil bewirkte die Halbierung ihrer Zahl im Irak. Im Unterschied zur ethnischen Säuberung Anatoliens von armenischen und assyrischen Christen im Ersten Weltkrieg ist die Gewalt gegen Minderheiten im heutigen Nahen Osten nicht die gezielte Politik eines Regimes, sondern die Konsequenz eines Zusammenbruchs des Staates und der öffentlichen Sicherheit.

Autoritäre Regime haben sich in der Regel als wirkungsvolle Schutzmächte religiöser Minderheiten erwiesen. Die christlich-muslimische Allianz im Zeichen des arabischen Nationalismus ist zu einem grossen Teil das Verdienst christlicher Intellektueller, die im 19. Jahrhundert die arabische Renaissance auf kulturellem und im 20. Jahrhundert auf politischem Gebiet vorantrieben.

In Palästina wurde diese Allianz durch die zionistischen Ansprüche auf das Land gestärkt, die sowohl Christen wie auch Muslime bedrohten. Doch Vertreibung und Flucht in den Kriegen von 1948 und 1967 sowie die über 40-jährige Besetzung Ostjerusalems, Cisjordaniens und Gazas bluteten die christlichen Gemeinschaften in weit höherem Ausmasse aus als den muslimischen Bevölkerungsteil.

Im Schatten des Islamismus
Der jüngste Anschlag auf eine Kirche in Alexandria zeigt auch, dass der koranische Schutz die Christen nicht vor islamistischen Terroristen bewahrt, die in der Gewalt gegen Andersgläubige eine propagandistische Wirkung suchen.

Wenn ein Eiferer in Amerika den Koran in die Flammen wirft oder ein europäischer Karikaturist den Propheten Mohammed zum Gespött macht, sind die Christen oft die ersten, welche die Reaktionen der Muslime zu spüren bekommen, obwohl sie als fromme Menschen solche Provokationen ebenso missbilligen wie ihre muslimischen Nachbarn.

Indem sie im Westen Schutz und Unterstützung suchten, haben christliche Gemeinschaften und Politiker oft selbst zum Verdacht beigetragen, sie verträten westliche Machtinteressen in der muslimischen Welt. Die Erfahrung der letzten zwei Jahrhunderte hat die orientalischen Christen aber gelehrt, dass westliche Mächte sie oft missbrauchten, um eigene Interessen zu fördern, und sie in Zeiten der Not wiederum hemmungslos ihren politischen Zielen opfern.Viele Christen im Mittleren Osten begegnen westlicher Politik heute deshalb mit Ablehnung und Furcht und suchen ihr Heil in einer lokalen christlichen Identität, wie sie etwa in der Christus-Ekstase der Myrna Nazzur empfohlen wird.
Gerade in der Volksreligiosität gibt es verbindende Elemente, die man für ein besseres Verhältnis zwischen Islam und Christentum auszunützen versucht. So hat Libanon das Fest von Mariä Verkündigung zum öffentlichen Feiertag gemacht mit der Begründung, die Mutter Jesu werde sowohl von Christen wie Muslimen verehrt. Unlängst wurde an einer Tagung über das muslimisch-christliche Verhältnis in Beirut auf Heiligengräber hingewiesen, zu denen seit je Muslime, Christen und Juden pilgerten, mit dem Vorschlag, solche Bräuche im Interesse des Zusammenlebens zwischen den Religionen aufzufrischen.

Ganze Reportage von Jürg Bischoff im Feulleton der Neuen Zürcher Zeitung

Samstag, 15. Januar 2011

Fanatiker bedrohen die Welt

In Pakistan sind die wenigsten Leute religiöse Fanatiker, doch offenen Widerstand wagt kaum jemand. So haben diese das Land im Griff. Kein Politiker und kein Journalist wagt es, auch nur ein Wort gegen diese zu sagen. Eine Katastrophe.

Radikale Elemente haben jedoch weit überdurchschnittliche an Einfluss gewonnen. Sie bestimmen sie die politische Agenda. Sie argumentieren nicht mit Argumenten, sondern mit Gewalt und Einschüchterung. Das aus der Kolonialzeit stammende Blasphemiegesetz sieht die Todesstrafe für die Verunglimpfung des Islams vor. Dieses Gesetz wird oft zur Verfolgung Angehöriger religiöser Minderheiten wie die Chirsten missbraucht. Viele Politiker geben hinter vorgehaltener Hand zu, dass das Gesetz mehr als fragwürdig ist. Aber es wagt sich niemand, dies öffentlich zu sagen.

Aufruf zur Gewalt
Der Gouverneur von Punjab hatte das Blasphemiegesetz öffentlich verurteilt und eine Christin im Gefängnis besucht. Auch vom demonstrierenden Mob und Morddrohungen liess sich der erfolgreiche Geschäftsmann und Politiker nicht davon abbringen. Nun hat er seinen Mut mit dem Tod bezahlt. Dies ist eine deutliche Warnung der Extremisten an die anderen Politiker, die es wagen, gegen die religiösen Kräfte aufzumucken.

Die Islamisten rufen regelmässig ungestraft zu Terroranschlägen und Angriffen auf religiöse Minderheiten auf. Solche Aufrufe schockieren in Pakistan niemanden mehr. Eine offene Debatte über die Rechte religiöser Minderheiten wird nicht geführt.

Angst und Rückzug
Religiöse Fanatiker sind in Pakistan salonfähig geworden. Sie haben Einfluss auf die Sicherheitskräfte, die Parteien und die Medienhäuser des Landes gewonnen. Das tolerante und pluralistische Pakistan, das 1947 gegründet wurde, gibt es nicht mehr. Nach diesem Mord am Gouverneur müssen sich die Pakistaner ernsthaft Gedanken darüber machen, in was für einer Gesellschaft sie leben wollen.

Viele Pakistaner seien durch die wirtschaftliche Krise aber so verunsichert, dass sie sich diese Frage momentan nicht stellten, schrieb die Neue Zürcher Zeitung am 8. Januar 2011. Aus Angst würde sich die Mehrheit der Bevölkerung aus dem öffentlichen Raum zurückzuziehen. So bleibt den Extremisten noch mehr Platz.

Im Würgegriff religiöser Fanatiker : Viele Pakistaner sympathisieren nicht mit den Islamisten, doch kaum jemand wagt noch offenen Widerstand (NZZ, 8. Januar 2011)

Sonntag, 9. Januar 2011

Korrupte Regierungen gefährden religiöses Miteinander

Zwei Selbstmordattentäterinnen aus dem Kaukasus haebeb sich in der Moskauer Metro in die Luft gesprengt und 40 Personen in den Tod gerissen hatten. Was hat dies mit der gefahr der Vertreibung der Christen im Osten zu tun? Reportage.

Der Terror hat viele Ursachen schreibt die renomierte Neue Zürcher Zeitung. Korruption, staatliche Willkür und Gewalt sind die Hauptursachen. Sie beherrschen seit Jahren den Alltag im Kaukasus. «Miliz und Geheimdienst sind Teil der kriminellen Welt», erklärt ein Einheimischer im Gespräch mit der NZZ. Ohne den religiösen Extremismus haben sie keine Existenzberechtigung. Seit 1999 investiert Russland riesige Summen in den Anti-Terror-Kampf. Je mehr tote Terroristen, desto grosszügiger die Zentralmacht. Doch die Sicherheitskräfte sind der Versuchung nicht gewachsen. Extremisten werden auch dort gesuchht, wo keine sind.

Zeugen werden zu Tätern erklärt
Viele Jugendliche schliessen sich erst nach Folter und Verhör durch die Sicherheitskröfte den Islamisten an, weil sie die Qual nicht nochmals durchmachen wollen. Erst hoch oben in den Berge, in der Isolation werden sie zu Wahhabiten. Die Terroristen und die Sicherheitskräfte sind in einer Zweckgemeinschaft miteinander verhängt: Nur dank den Terroristen gibt es Polizisten und ganze Ministerien, und Geschäftsleute bezahlen Schutzgelder.

Moskaus Kampf gegen den Terror spielt den Extremisten im Kaukasus neue Leute zu. Die Terroristen arbeiten mit korrupten Sicherheitskräften Hand in Hand. «Menschen verschwinden, werden zu Handelsware oder als Terror-Trophäen hingerichtet», schreibt die NZZ. Es ist kein religiöser Konflikt. Es ist ein Kampf um Macht; ein Kampf um Besitz, den ein zynischer Staat nicht mit den Bürgern teilen will. Das Fazit der NZZ ist vernichtend: «Der Vormarsch des Islams ist kaum mehr aufzuhalten. Fällt Dagestan, könnte der Nordkaukasus für Russland verloren sein.»

Die ganze Reportage ist in der Neuen Zürcher Zeitung nachzulesen.

Donnerstag, 6. Januar 2011

Bischof von Arabien fordert mutige westliche Politiker

Paul Hinder, Schweizer, ist Bischof von Arabien, das heisst für die Golfregion. Im Dreikönigsgespräch mit der Neuen Zürcher Zeitung fodert er die Politik im Westen zu mehr Einsatz für die Religionsfreiheit in der Golfregion auf. Menschenrechtsfragen werden oft wirtschaftlichen Interessen untergeordnet. 

Von westlichen Politikern wünscht sich Bischof Paul Hinder mutigere Worte. Die Politiker könnten dies besser tun als die Christen, die im Nahen Osten leben. «Leider werden Menschenrechtsfragen oft den wirtschaftlichen Interessen nachgeordnet, gerade auch angesichts des Ölvorkommens in der Golfregion», erklärte Hinder im Interview mit der NZZ.

Unterdrückung von Christen traurige Realität
Zwar werden Christen nicht überall unterdrückt oder gleich stark benachteiligt. Aber der Westen hat zu lange Zeit weggeschaut, während Christen im Osten vertrieben, unterdrückt oder umgebracht worden sind. Bischof Hinder verwendet klare Worte: «Viele konnten nicht zugeben, dass in radikalen Gruppierungen des Islam der Wille zur Vertreibung oder gar zur Ausrottung der Christen vorhanden ist.» Er anerkennt, dass die Mehrheit der Muslime allerdings mit den Christen in Frieden zusammenleben möchte. Deshalb dürfe es jetzt keine allgemeine Dämonisierung des Islam geben. Dies wäre sehr gefährlich für die Christen vor Ort.

In den Monarchien am Golf hat nach Aussagen des römisch-katholischen Bischofs niemand ein Interesse an der Gewalt gegen die Christen. Dagegen sprechen nicht zuletzt auch wirtschaftliche Gründen. In vielen Ländern, in denen christliche Kirchen, Schulen oder Spitälern vorhanden sind, sorgen die Regierungen für diskreten und effektiven Schutz.

Das Interview auf der Seite der Neuen Zürcher Zeitung.