Mittwoch, 2. Mai 2012

Rechtlicher Status von Personalpfarreien

Bischof Vitus Huonder von Chur hat für die Anhänger der ausserordentlichen Form des römischen Ritus («Tridentinische Messe») zwei Personalpfarreien errichtet. Der Kirchenrechtler Joseph M. Bonnemain, Offizial des Bistums Chur, erklärt im Gespräch die Rechtsform «Personalpfarrei».

Was ist – kurz gefasst – eine Personalpfarrei?
Joseph M. Bonnemain: Nach katholischem Verständnis ist die Pfarrei eine Gemeinschaft von Gläubigen, die dauerhaft einem Priester als zuständigem Seelsorger anvertraut wird. In der Definition von Pfarrei sind also keine territorialen Bestimmungen enthalten. In der katholischen Kirche ist es jedoch fast seit Anbeginn üblich, Pfarreien nach Territorien einzuteilen. Gleichzeitig gab es aber schon immer auch pastorale Gründe, bestimmte Gruppen in einer Pfarrei zu organisieren, ohne dass dabei der Wohnort eine Rolle gespielt hätte. Solche Pfarreien nennt man dann Personalpfarreien.

Konkrete Beispiele dafür?
An grossen Universitäten gibt es Hochschulpfarreien für Studenten. In einigen Ländern wurden eigene Ordinariate für die Militärseelsorge errichtet. Diese Ordinariate sind dann wie ein Bistum in Pfarreien eingeteilt. Oder es gibt Spitalpfarrämter. Im Kanton Zürich gab es bislang nur zwei Personalpfarreien: In den Städten Winterthur und Zürich wurde die Seelsorge für die Italiener in Personalpfarreien organisiert.

Muss man sich als Gläubiger zwischen Wohnortpfarrei und Personalpfarrei entscheiden?
Es versteht sich von selbst, dass sich beispielsweise ein Hochschulpfarramt vor allem an Studenten richtet. Weiter versteht sich die Personalpfarrei als Ergänzung nicht als Ersatz. Es steht dem einzelnen Gläubigen also weiterhin frei, welche Angebote er wo wahrnehmen will, ob er beispielsweise in seiner Personalpfarrei getraut werden will oder in seiner Wohnortspfarrei.

Wie sind die Seelsorger einer Personalpfarrei in die kirchliche Struktur eingebunden?
Der Pfarrer einer Personalpfarrei ist zunächst an den Bischof gebunden, der ihn ja auch ernannt hat. Er wird aber auch in die verschiedenen Gremien des Bistums eingegliedert. Für die neue Personalpfarrei Hl. Maximilian Kolbe in Thalwil beispielsweise bedeutet das, dass deren Seelsorger auch Mitglied des Kantonalen Seelsorgekapitels sein wird.

Wie finanziert sich eine Personalpfarrei?
Das ist ganz unterschiedlich. Die beiden Personalpfarreien der Italiener-Seelsorge werden durch die Kirchensteuer finanziert. Die Personalpfarreien für die ausserordentliche Form des römischen Ritus werden über Spenden und Stiftungen finanziert. Ihre Kirchensteuer bezahlen die Gläubigen an ihrem Wohnort – wie bis anhin.

Welche Dienste muss eine Personalpfarrei anbieten?
Alles, was für eine ordentliche Seelsorge vorgesehen ist: Sakramente, geistliche und seelsorgerliche Begleitung, Religionsunterricht, Ehevorbereitungskurse, Bestattungen.

Wir sprechen im Kanton Zürich auch von einem Flughafenpfarramt. Ist das ebenfalls eine Personalpfarrei?
Man muss die Umgangssprache von kirchenrechtlichen Definitionen unterscheiden. Kirchenrechtlich gesehen sind weder die Bahnhofskirche noch das Flughafenpfarramt tatsächlich Pfarreien. Auch sie könnten rein theoretisch in den Status von Personalpfarreien erhoben werden.

Wie gross ist der Spielraum eines Bischofs bei der Errichtung von Personalpfarreien?
Es ist vor allem eine Ermessensfrage. Im Kirchenrecht heisst es dazu: «Die Pfarrei hat in aller Regel territorial abgegrenzt zu sein und alle Gläubigen eines bestimmten Gebietes zu umfassen; wo es jedoch angezeigt ist, sind Personalpfarreien zu errichten, die nach Ritus, Sprache oder Nationalität der Gläubigen eines Gebietes oder auch unter einem anderen Gesichtspunkt bestimmt werden.» (CIC Can. 518)

Was passiert, wenn es ein Bischof übertreibt, indem er beispielsweise mit unzähligen Personalpfarreien ein individualistisches Kirchenbild fördert oder eine Spaltung in seiner Diözese provoziert?
Auch ein Bischof muss die Bestimmungen der Kirche beachten und immer ihre Einheit im Blick behalten. Wenn er in Widerspruch dazu gerät oder seine Ermessensgrenzen überschreitet, dann muss er durch die zuständige Kongregation im Vatikan zur Verantwortung gezogen werden.

Was halten Sie vom Szenario, dass der Bischof von Chur die beiden neuen Personalpfarreien errichtet hat, um auf diesem Weg eine parallele Struktur zur bisherigen sogenannten dualen Struktur zu schaffen? Personalpfarreien als ein Mittel zur Umgehung und Aushebelung staatskirchenrechtlicher Strukturen?
Auch ein Bischof kann nicht über die Köpfe der Gläubigen hinweg entscheiden. Wenn die Mehrheit der Diözese Chur sich weiterhin wünscht, dass die Kirche sich in der bisherigen Form organisiert, dann wird sich das nicht ändern. Wenn es also bei ein paar hundert Gläubigen bleiben wird, die sich den beiden neuen Personalpfarreien anschliessen wollen, dann wird es bei diesen beiden Pfarreien bleiben. Wenn die Gläubigen das bisherige Leben in ihrer Pfarrei und den hier gewachsenen Strukturen schätzen, dann kann auch ein Bischof nichts erzwingen.

Die Fragen stellte Thomas Binotto vom Zürcher Pfarrblatt.

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