Mittwoch, 16. November 2011

Türkei: Lage der Christen trotz einigen Fortschritten problematisch

Der Ökumenische Patriarch Bartholomaios ist 20 Jahre im Amt. Trotz widrigen Umständen hat er die Hoffnung auf mehr Religionsfreiheit nie aufgegeben. Seit einiger Zeit gibt es ermutigende Anzeichen. Doch die Realisierung gestaltet sich schleppend. Kurzfassung der Reportage aus der Neuen Zürcher Zeitung.

Der türkische Regierungschef Recep Tayyip Erdogan verkündete Ende August bei einem Essen, die Türkei werde ab sofort den jüdischen und christlichen Gemeinden all jene Immobilien zurückgeben, die sie über Jahrzehnte konfisziert habe. 1936 mussten alle nichtmuslimischen Stiftungen, die als Rechtsträger von Gotteshäusern fungierten, ihren Besitz auflisten. Grosse Teile davon – es handelt sich um mehr als tausend Gemeindehäuser, Hospitäler, Schulen, Wohnhäuser und Friedhöfe – wurden dann in der Folgezeit vom türkischen Staat eingezogen und teilweise an Dritte veräussert. Jetzt soll das konfiszierte Gut an die ehemaligen Eigentümer zurückgegeben oder eine Entschädigung gezahlt werden, die dem heutigen Marktpreis entspricht. Die Umsetzung dürfte allerdings nicht einfach sein.

Die Christen in der Türkei, deren Gesamtzahl unter 100 000 liegen dürfte. (60 000 Armenier, 20 000 Assyrer und nicht einmal 3000 Griechen), leben in prekären Verhältnissen. Dabei waren in den vergangenen Jahren durchaus einige positive Entwicklungen auszumachen. Zum einen erlaubte die Regierung Erdogan, dass im bisher geschlossenen, traditionsreichen griechischen Kloster Sümela (griechisch: Panagia Soumela) bei Trabzon und in der alten armenischen Heilig-Kreuz-Kirche auf der Insel Akdamar (armenisch: Aghtamar) im ostanatolischen Van-See einmal im Jahr wieder ein Gottesdienst gefeiert werden darf.

Und zudem bekamen 15 griechisch-orthodoxe Metropoliten aus dem Ausland die türkische Staatsbürgerschaft angeboten. Damit konnte der bisher kleine und teilweise überalterte Kreis der potenziellen Nachfolger des Ökumenischen Patriarchen erweitert werden. Das orthodoxe Kirchenoberhaupt muss laut staatlichen Vorgaben einen türkischen Pass haben.

Trotz diesen erfreulichen Neuerungen aber hat sich die Lage der Christen in der Türkei nicht grundlegend geändert. So ist das Kloster Mor Gabriel in der südostanatolischen Region Tur Abdin, das über Jahrhunderte das Zentrum der syrisch-orthodoxen Christen bildete, seit Jahren bereits in dubiose Rechtsstreitigkeiten verwickelt. Hierbei ist zu befürchten, dass die über 1600 Jahre alte Anlage grosse Teile ihrer Ländereien abtreten muss. Zudem hat bisher keine der einheimischen christlichen Kirchen die Möglichkeit, in der Türkei Priesternachwuchs auszubilden.

Die griechisch-orthodoxen Christen beispielsweise warten seit Jahren darauf, dass ihr 1971 vom türkischen Staat geschlossenes Priesterseminar auf der Prinzeninsel Heybeli Ada (griechisch: Halki) endlich wieder geöffnet werden darf. Doch obgleich die einst bekannte Hochschule, an der Patriarch Bartholomaios seine Ausbildung erhielt, seit nunmehr 40 Jahren von den Mönchen des angeschlossenen Klosters der Heiligen Dreifaltigkeit in tadellosem Zustand gehalten und die stattliche Bibliothek nach wie vor mit den neuesten Nummern theologischer Fachzeitschriften bestückt wird, sind die Tore weiterhin geschlossen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen