Montag, 8. April 2013

Die Theologie des Volkes

Jorge Mario Bergoglio galt als «Kardinal der Armen». Er folgte der «Theologie des Volkes». Diese kommt ohne die marxistischen Elemente der Befreiungstheologie aus, wie Theologin Margrit Eckholt erläutert.

Wie kam es dazu, dass sich in Argentinien die sogenannte Theologie des Volkes (Teología del pueblo) entwickeln konnte?
Der kulturelle Kontext der sechziger und siebziger Jahre in Argentinien hatte eine ganz eigene Prägung. Nach dem Zweiten Weltkrieg bestimmte der Peronismus das Land. Diese grosse sozio-kulturelle Bewegung griff auch die Anliegen der Arbeiter und Landlosen auf. Ziele waren die Beseitigung des Grossgrundbesitzes und die Verbesserung der Lebensumstände der unteren Schichten. Neben der grossen Aufbruchsbewegung, die das Zweite Vatikanische Konzil (1962–1965) für Kirche und Theologie in Argentinien bedeutet hat, bereitete auch der Peronismus der Theologie des Volkes den Boden.
Wodurch war der Peronismus noch gekennzeichnet?
Diese Bewegung, die auf den zweimaligen argentinischen Präsidenten Juan Perón (1895–1974) zurückgeht, war sehr stark in den Tiefenschichten der Volkskultur verankert. Der Peronismus knüpft an die grossen Volksmythen an, die nach der Befreiung vom spanischen Kolonialismus im 19. Jahrhundert entstanden und im argentinischen Nationalepos «Martín Fierro» gesammelt sind. Dabei geht es um Figuren wie etwa den Campesino (Bauer) oder den Gaucho (Viehhirte), mit denen sich die arme Bevölkerung identifizieren und von europäischen Einflüssen absetzen konnte. Diese Mythen nahmen auch Kirche und Theologie in Argentinien auf. Der Gedanke einer Kirche an der Seite der Armen und des «einfachen» Volkes verband sich mit dem politisch-kulturellen Gedanken des Volkes.

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